Bedienfehler in Toilette brachte U-Boot zum Kentern

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ww_michael
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Bedienfehler in Toilette brachte U-Boot zum Kentern

Beitrag: # 2033Beitrag ww_michael »

Um die deutschen U-Boote unter Wasser schneller zu machen, erhielten sie eine Tiefsee-Hochdruck-Toilette. Der Kommandant von U-1206 machte bei der Spülung einen Fehler. Die Folgen waren fatal.

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In den letzten beiden Jahren des Zweiten Weltkriegs, als die alliierte Überlegenheit immer deutlicher wurde, suchte das Dritte Reich sein Glück in sogenannten „Wunderwaffen“. Kurz nach der Katastrophe von Stalingrad hatte Hitler 1943 bereits den Einsatz überlegener technischer Wunderdinge versprochen. Die NS-Propaganda vervielfältigte die Botschaft, um den Durchhaltewillen im Reich und an der Front zu stärken. Bis heute geistern bizarre Vorstellungen von Fluggeräten, Superbomben und Panzern durch einschlägige Foren.

Aber einige dieser „Wunderwaffen“ waren durchaus real. Raketen wie die V2, überschwere Panzer oder Düsenjäger kamen in größerer Zahl zum Einsatz, obwohl sie an der drückenden Überlegenheit der Alliierten nichts ändern konnten. Zu den technischen Wunderwerken gehörte auch eine Toilette, genauer: eine U-Boot-Toilette. Sie sollte der Untersee-Flotte der Reichsmarine größere Wendigkeit und Tauchgeschwindigkeit verschaffen. Ob dieses Ziel erreicht wurde, ist fraglich. Als ziemlich sicher gilt aber, dass am Ende des Krieges ein großes U-Boot durch einen Fehler bei der Toilettenbedienung versenkt wurde. Sein Kommandant hatte den falschen Hebel bedient.

U-1206 war im März 1944 in Dienst gestellt worden und sollte nach der Ausbildung in der Ostsee im Winter 1945 erstmals auf Feindfahrt gehen. Es handelte sich um ein Boot des Typs VII, das bereits kurz nach Hitlers Machtergreifung nach Vorbildern des Ersten Weltkriegs entwickelt worden war. Mit mehr als 700 Einheiten gelten diese Boote als die meistgebauten der Welt. Vor allem mit ihnen zog die Wehrmacht in die „Atlantik-Schlacht“.

Doch nach den großen Erfolgen 1941 und 1942 kam 1943 die Wende. Amerikaner und Briten brachen in den deutschen Marine-Code ein und entwickelten mit Radar, Fernbombern und Geleitzugstaktik höchst wirksame Mittel gegen die deutschen Fern-U-Boote. Um diese schneller und länger tauchfähig zu machen und ihnen unter Wasser größere Beweglichkeit zu verleihen, entwickelten deutsche Techniker daher eine Reihe von Neuerungen, die auch in die U-Boot-Klassen VII und IX eingebaut wurden, mit denen die Marine vor allem ausgerüstet war.

Das gilt auch für U-1206. Bei seiner Baureihe VII C hatte man die Geschwindigkeit auf 18,6 Knoten und die Reichweite über Wasser auf 10.000 und unter Wasser auf 150 Kilometer erhöht. Um die Manövrierbarkeit beim Tauchen zu verbessern, war das Deckgeschütz durch einen Schnorchel ersetzt worden. Außerdem erhielt das knapp 1100 Tonnen verdrängende Boot die neue Tiefsee-Hochdruck-Toilette.

Dieses Meisterwerk der Hygienetechnik sollte Stuhlgang auch in großer Tiefe bei entsprechendem Wasserdruck möglich machen, ohne dass durch das Lagern und Ausstoßen von Fäkaltanks Raum und Positionen verändert werden mussten. Wie das Problem für die rund 50 Mann Besatzung zuvor gelöst worden war, mag man sich nicht vorstellen. Amerikanische U-Boote entsorgten ihre Exkremente in speziellen Behältern, japanische Fern-U-Boote, die vom Kaiserreich bis nach Amerika und zurück fahren konnten, verwandten archaische Lösungen.

Um sicher zu gehen, dass deutsche U-Boote zur Entlastung nicht in die Nähe der Oberfläche und damit in Reichweite feindlicher Bomber kommen mussten, hatten Ingenieure ein kompliziertes Verfahren entwickelt. Der Stuhl wurde durch eine Kette von Kammern zu einer Druckschleuse transportiert, von wo aus er mit Hilfe von Druckluft buchstäblich ins Meer geschossen wurde. Allerdings war der Ablauf so kompliziert, dass ein Mitglied der Mannschaft speziell dafür ausgebildet worden war, die Ventile in der richtigen Reihenfolge zu bedienen.

Am 2. April ging U-1206 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Karl-Adolf Schlitt vom südnorwegischen Hafen Horten aus erstmals auf Feindfahrt. Das Boot operierte mehrere Tage vor der schottischen Küste, ohne dass es zu einem Feindkontakt gekommen war. Um keine leichte Beute alliierter U-Boot-Jäger zu werden, verharrte U-1206 auf Tauchfahrt in etwa 60 Metern Tiefe.

Am 14 April überkam Schlitt ein menschliches Bedürfnis. Er vertraute auf seine Erfahrung im Umgang mit WCs und setzte den Spülmechanismus in Gang. Doch irgendetwas ging schief. Auch der Techniker, den der Schiffstechnische Offizier seinem Kapitänleutnant zur Hilfe schickte, fand nicht mehr den richtigen Verschluss. Ein kraftvoller Strahl gebrauchten Wassers ergoss sich in die Enge des Bootes.

Unter der Last des Wassers soll das Boot „wie ein Stein“ weggesackt sein, erinnerte sich ein Überlebender. Mehr noch, denn bald flutete das Wasser die Bordbatterien, was eine chemische Reaktion auslöste. Chlorgas verpestete die muffige Luft im Bootsinneren.

Schlitt hatte keine Wahl und befahl das sofortige Auftauchen. Um schneller an die Oberfläche zu kommen, trennte sich die Mannschaft von den 16 Torpedos und den Ballasttanks. Über Wasser musste der Kommandant erkennen, dass er umgehend von britischen Patrouillen-Fliegern erfasst worden war; ein Angriff gegen das wehrlose Boot war nur noch eine Frage von Minuten.

Die Mannschaft versenkte das Boot und hoffte, in Schlauchbooten die schottische Küste zu erreichen. „Als wir versuchten, bei starkem Seegang entlang der Steilküste zu navigieren, kamen drei Mitglieder der Mannschaft auf tragische Weise zu Tode“, gab Schlitt zu Protokoll. Er überlebte den Krieg. Erst 2012 entdeckten Taucher das Wrack von U-1206. Es liegt zwölf Meilen vor Cruden Bay, Aberdeenshire, auf dem Grund der Nordsee.
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