Zwei Torpedos versenkten das britische Schlachtschiff „Royal Oak“

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ww_michael
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Zwei Torpedos versenkten das britische Schlachtschiff „Royal Oak“

Beitrag: # 2375Beitrag ww_michael »

Als Rache für die Selbstversenkung der kaiserlichen Hochseeflotte 1919 erhielt ein U-Boot-Kommandant 1939 einen selbstmörderischen Auftrag: Er sollte in der britischen Flottenbasis Scapa Flow für Chaos sorgen.

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Nachdem die Wehrmacht im September 1939 Polen erobert hatte, wollte auch die Kriegsmarine ihren Teil zu Hitlers Krieg beitragen. Deren Führung setzte angesichts der drückenden Überlegenheit der Royal Navy auf starke Symbolik. In der Bucht von Scapa Flow, in der sich 20 Jahre zuvor die kaiserliche Hochseeflotte durch Selbstversenkung dem britischen Zugriff entzogen hatte, sollte eine spektakuläre Aktion den Wiederaufstieg der deutschen Seemacht dokumentieren.

Am 1. Oktober gab Karl Dönitz als Befehlshaber der U-Boot-Flotte einem seiner Kommandanten den Auftrag für eine „freiwillige“ Mission. Er solle in den berühmten Hafen von Scapa Flow eindringen und dort liegende Kriegsschiffe der Royal Navy versenken. Der Mann erhielt einen Tag Bedenkzeit, ob er dieses Himmelfahrtskommando übernehmen wolle. Nach wenigen Stunden sagte Günther Prien zu.

Der 1908 geborene Prien war mit 16 Jahren zur Handelsmarine gegangen. 1933 meldete er sich zur Kriegsmarine, 1935 zur U-Boot-Waffe. 1938 erhielt er das Kommando über „U 47“, ein U-Boot vom neuen Typ VII B. Mit dieser Klasse aus Booten, die jeweils knapp 50 Mann Besatzung hatten, zog die Kriegsmarine in die sogenannte Atlantikschlacht. Mit mehr als 700 in Dienst gestellten Einheiten sollte Typ VII zum meistgebauten U-Boot der Geschichte werden.

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Bereits im August 1939 war Prien aus Kiel ausgelaufen. Nach Kriegsbeginn machte er im Nordatlantik Jagd auf britische Dampfer, wobei er sich im Gegensatz zu anderen Kommandanten streng an das herrschende Kriegsrecht hielt. Die Besatzungen der drei zivilen Schiffe, die er mit seinen Torpedos oder mit Artilleriefeuer versenkte, bekamen die Chance, zuvor von Bord zu gehen.

Dem Unternehmen gegen Scapa Flow war ein glücklicher Zufall vorangegangen. Dem deutschen Aufklärerpiloten Siegfried Knemeyer war es gelungen, auf einem Flug zum norwegischen Narvik gute Fotos von Scapa Flow aufzunehmen und der britischen Luftverteidigung zu entkommen. Aufgrund dieser Fotos entwickelte Dönitz seinen Plan.

Scapa Flow in den schottischen Orkney-Inseln war erst 1938 von der Royal Navy wieder als zentrale Basis der Home Fleet in Betrieb genommen worden. Zuvor waren die 53 Schiffe der deutschen Hochseeflotte, die sich 1919 vor Abschluss des Versailler Vertrages dort selbst versenkt hatten, gehoben und verwertet worden. Zwar waren viele Anlagen veraltet oder verfallen, aber die größere Entfernung zu den Stützpunkten der deutschen Luftwaffe ließ es der britischen Admiralität geraten sein, Scapa Flow zu reaktivieren. Da zwei kaiserliche U-Boote 1914 und 1918 vergeblich versucht hatten, in Scapa Flow einzudringen, galt der Hafen als absolut sicher.

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Im September 1939 waren die U-Boot-Netze noch nicht auf den neuesten Stand gebracht worden. Auch fehlte es an Zerstörern, um eine lückenlose Sicherung aufrechtzuerhalten. Knemeyers hochaufgelöste Fotos zeigten außerdem, dass die Schiffe, die in der Hafeneinfahrt versenkt worden waren, diese keineswegs vollständig blockierten. Mit viel Glück, fand Dönitz, könnte es einem U-Boot von Osten aus gelingen, durch die Sperren in den Hafen einzudringen.

Zur Ablenkung inszenierte die deutsche Marineführung einen Vorstoß schwerer Einheiten in die Nordsee. Daraufhin verließen mehrere Großkampfschiffe der Home Fleet Scapa Flow, darunter die „HMS Royal Oak“. Dieser Veteran des Ersten Weltkriegs war mit seinen rund 30.000 Tonnen Verdrängung und acht 38,1-Zentimeter-Geschützen ein eindrucksvolles Schlachtschiff. Doch war er mit einer Höchstgeschwindigkeit von gut 20 Knoten kaum noch in der Lage, der Flotte auf die Dauer zu folgen. Das Gros seiner Besatzung bestand daher aus Marinekadetten, die nicht in vorderster Front eingesetzt werden sollten. Am 12. Oktober kehrte die „Royal Oak“ nach Scapa Flow zurück, wo sie mit ihren Flakgeschützen die Basis gegen einen möglichen Angriff der deutschen Luftwaffe verteidigen sollte.

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Vier Tage zuvor hatte Prien mit „U 47“ den Hafen von Kiel verlassen. Als Termin für den Angriff war die Nacht vom 13. auf den 14. Oktober geplant. Trotz Neumond stellte sich die erhoffte Dunkelheit nicht ein, denn Polarlichter erhellten die Nacht. Wegen der Sperren und kräftigen Strömungen schien es unmöglich, getaucht mit einem U-Boot in den Hafen einzudringen. Mit langsamer Überwasserfahrt gelang es Prien, den Patrouillen zu entgehen. Gegen ein Uhr stand er schussbereit vor der „Royal Oak“ und feuerte vier Torpedos auf das Schlachtschiff ab. Lediglich einer davon traf das Schiff am Bug und richtete nur geringe Schäden an.
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Die Briten deuteten die Explosion als Havarie in einem Materiallager. Prien war kaltblütig genug, aufgetaucht nachzuladen und erneut auf die „Royal Oak“ zu feuern. Diesmal gingen zwei der vier Torpedos ins Ziel. Einer sprengte ein zehn Meter breites Loch in die Außenwand des Schlachtschiffes, das Schlagseite bekam und sank. Von den 1400 Mann Besatzung verloren 833 ihr Leben. „U 47“ konnte in dem Chaos unbemerkt entkommen.

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Noch immer sorgt die Frage für Diskussionsstoff, welches weitere Schiff von Priens zweitem Torpedofächer getroffen wurde. Prien behauptete, es sei der Schlachtkreuzer „Repulse“ gewesen, der Ende 1941 von den Japanern vor Singapur versenkt wurde. Die Royal Navy dementierte. Prien habe das modernisierte und deutlich schnellere Großkampfschiff mit der „Pegasus“ verwechselt, einem alten Flugzeugmutterschiff. Tatsächlich befand sich die „Repulse“ in jener Nacht auf See.

Marineexperten brachten eine dritte Version ins Spiel. Danach wurde die „Iron Duke“ getroffen, ein zum Artillerieschulschiff umgebautes Schlachtschiff des Ersten Weltkriegs. 1916 war die „Iron Duke“ das Flaggschiff der Grand Fleet in der Schlacht am Skagerrak gegen die deutsche Hochseeflotte gewesen. Die Ehre, auch dieses berühmte Schiff getroffen zu haben, habe die Royal Navy Prien unbedingt verweigern wollen, heißt es. Die Behauptung der Admiralität, die „Iron Duke“ sei später von einer deutschen Fliegerbombe beschädigt worden, sei nur Camouflage.

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Zurückgekehrt, wurden Prien und seine Mannschaft von der NS-Propaganda umgehend zu Helden und Rächern für die Demütigung von 1919 stilisiert. Hitler empfing die Crew und zeichnete sie für „die stolzeste Tat, die überhaupt ein deutsches U-Boot unternehmen und vollbringen konnte“, mit Orden aus. Schulen und Straßen wurden nach dem Ritterkreuzträger Prien benannt. Seine Autobiografie „Mein Weg nach Scapa Flow“ wurde ein Bestseller, ebenso das Buch „Prien greift an“ des Kriegsberichterstatters Wolfgang Frank.

Auf seine Popularität gestützt, konnte Prien es wagen, seinen Vorgesetzten Dönitz einigermaßen drastisch anzugehen. Als sich 1940 zeigte, dass die deutschen Torpedos häufig wegen technischer Pannen versagten, notierte er in einem Bericht, man solle ihm nicht noch einmal zumuten, „mit einem Holzgewehr zu kämpfen“. Dönitz initiierte daraufhin eine Prozesswelle gegen technische Offiziere und Beamte vor dem Reichsgericht.

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Daneben unternahm Prien mit „U 47“ weiter erfolgreiche Feindfahrten. Bis März 1941 versenkte das U-Boot insgesamt 32 Schiffe mit 210.000 Bruttoregistertonnen. Dann hörte man nichts mehr von ihm. Erst am 24. Mai 1941 gab das Oberkommando der Wehrmacht bekannt, mit einer Rückkehr von „U 47“ könne nicht mehr gerechnet werden.

Tatsächlich waren Prien und seine Leute bereits im März 1941 ums Leben gekommen. Lange wurden Wasserbomben des britischen Zerstörers „Wolverine“ für den Untergang ihres U-Boots verantwortlich gemacht. Heute gilt als wahrscheinlichste Ursache die Fehlfunktion eines Torpedos.
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