Die versteckte Netzwerkbremse in Windows 10 und 11

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ww_michael
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Die versteckte Netzwerkbremse in Windows 10 und 11

Beitrag: # 2789Beitrag ww_michael »

Microsoft liefert Windows 10 und 11 mit Voreinstellungen eines Internet-Profils für TCP aus, die TCP/IP-Netzwerkverbindungen arg verlangsamen können. Es gibt aber Möglichkeiten, die Netzwerkdurchsätze zu verbessern.

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Trotz immer schnellerer Rechner eine immer schlechtere Netzwerk-Transferleistung? Der IT-Dienstleister Alexander Fuchs wunderte sich über diese Rückmeldungen von Kunden, insbesondere bei der Performance von RDP-Verbindungen unter Windows Server 2022 gab es massive Beschwerden über ruckelnde RDP-Verbindungen von Windows 10- oder Windows 11-Clients.

Diskussionen in diversen Internetforen wie bei administrator.de bestätigten den Eindruck. Insbesondere gab es Klagen, dass die TCP-Netzwerkverbindungen auf Windows-10/11-Clients auch bei performanter Hardware im Durchsatz zu wünschen übrig ließen.

Bald stellte sich heraus, dass die Voreinstellungen für TCP - und vor allem die Vorgabe eines Profils namens Internet für alle TCP-Verbindungen des Rechners - eine Leistungsbremse darstellt. TCP steht für Transmission Control Protocol, ein Netzwerkprotokoll, das definiert, auf welche Art und Weise Daten zwischen Netzwerkkomponenten ausgetauscht werden sollen. Nahezu alle aktuellen Betriebssysteme beherrschen TCP und nutzen es für den Datenaustausch mit anderen Rechnern oder dem Internet.

Das Protokoll ist ein zuverlässiges, verbindungsorientiertes, paketvermitteltes Transportprotokoll in Computernetzwerken und Teil der Internetprotokollfamilie, der Grundlage des Internets. Bei der Implementierung können Entwickler aber zahlreiche Parameter zur Flusssteuerung der TCP-Übertragungen festlegen. Werte für ein internes Netzwerk unterscheiden sich in der Regel von den TCP-Vorgaben für Internetverbindungen.

Viele Nutzer bekommen von diesen Details aber nichts mit, da die Betriebssystementwickler Standardvorgaben für die TCP-Einstellungen verwenden. Alexander Fuchs begann sich mit den Windows-Vorgaben für TCP zu beschäftigen. Nach über einem Jahr an Untersuchungen wandte er sich mit seinen Erkenntnissen an den Autor dieses Artikels, der das in einem Blog-Beitrag hier dokumentiert hat.
Standardvorgaben als Bremse

Eine Analyse der Implementierung des Transmission Control Protocol unter Windows 10 und Windows 11 lieferte einige überraschende Erkenntnisse. Als Erstes fiel auf, dass mit dem Power-Shell-Befehl Get-NetTCPConnection abgefragte TCP-Verbindungen immer das Profil "Internet" zurückmeldeten.

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Von Microsoft gibt es auch ein Profil namens Datacenter, das andere TCP-Vorgaben aufweist, aber in den Standard-Konfigurationen nicht verwendet wird. Die Verwendung des Profils Internet für alle TCP-Verbindungen bremst lokale Netzwerktransfers (unter anderem über die Latenz der ACK-Pakete) künstlich aus. Dan Cuomo von Microsoft hat die Sachverhalte in einem Artikel beschrieben.

Bei weiteren Analysen hat Alexander Fuchs festgestellt, dass die für die TCP-Profile Internet und Datacenter der aktuellen Windows-10/11-Versionen Vorgaben für die Einstellungen aufweisen, die auf Internetanschlusseigenschaften und -geschwindigkeiten zu Zeiten von Server 2012 gängig waren.

Das mag zwar im Sinne von "funktioniert immer" sinnvoll sein. Aus der Sicht des IT-Experten Fuchs ist das aber unsinnig: "Statt für die heutigen Internet- und LAN-Geschwindigkeiten eher pauschal das schnellere und somit passendere Datacenter-TCP-Profil als Default-TCP-Profil von Windows zu verwenden, wird bei aktuellen Windows-Versionen pauschal das lahmere Internet-Profil hinterlegt." Normale Nutzer können an diesen Vorgaben auch nichts umstellen.
Ansätze zur TCP-Optimierung

Für erfahrene Admins gibt es das kostenlose Tool SG TCP Optimizer für Windows, mit dem die TCP-Parameter angepasst werden können. Allerdings erfordert der Einsatz einiges an Wissen und eine manuelle Optimierung einzelner Parameter.

Für eigene Belange hat Alexander Fuchs ein Powershell-Script zur automatischen Optimierung der TCP-Einstellungen für Windows 10 und Windows 11 entwickelt. Es setzt die TCP-Parameter eigenständig so, dass unter Windows 10 oder Windows 11 nicht mehr pauschal das Internet-Profil, sondern das Datacenter-Custom-Profil, verwendet wird. Zudem werden Latenzen durch Deaktivierung bestimmter TCP-Funktionen verringert und so die Leistung beim Netzwerkdurchsatz in vielen Szenarien verbessert.

Erfahrene Administratoren, die mit Leitungsproblemen beim Netzwerkdurchsatz, etwa bei RDP-Verbindungen, auf Windows 10/11-Clients kämpfen, können von der Script-Lösung profitieren. Rückmeldungen im Blog des Autors und in Communitys zeigen das große Optimierungspotenzial.

Die aktuelle Fassung des Powershell-Scripts W10ANDW11-NETWORK-TCP-DESUBOPTIMIZATION.ps1 wurde von Alexander Fuchs kostenfrei auf Github bereitgestellt. Das Script muss mit Administratorberechtigungen ausgeführt werden, da es andernfalls zu Fehlern kommt. Es ist laut Fuchs nur für die Optimierung von Windows 10/11 gedacht und sollte nicht auf einem Server-Betriebssystem ausgeführt werden.

An dieser Stelle eine Warnung: Das Script ist keine Point-and-click-Lösung, die von unbedarften Endanwendern eingesetzt werden sollte. Zwar kann es ein Backup der Registrierungswerte anlegen, vor einem Einsatz empfiehlt es sich aber, eine Systemsicherung zu machen, um bei Problemen auf den vorherigen Stand zurückkehren zu können (an dieser Stelle natürlich der Hinweis, dass der Einsatz des Scripts auf eigene Gefahr erfolgt). Die Änderungen, die das Script durchführt, lassen sich anhand der Kommentare im Quellcode nachvollziehen.

Nach dem Ausführen muss der Rechner neu gestartet werden, um alle Einstellungen sauber zu übernehmen. Im Anschluss sollte sich eine deutliche Performance-Verbesserung in den Netzwerkverbindungen, insbesondere bei lokalen Anwendungen, zeigen. Der Script-Autor hat auf administrator.de einige Performance-Messungen veröffentlicht, auch von anderen Administratoren gibt es Feedback.
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