Lkw-Fahrer sind nicht nur in England knapp, auch im Kreis Limburg-Weilburg

Alles was irgendwie nicht zum Thema Spielen passt
Antworten
Benutzeravatar
ww_michael
Verified
Site Admin
Beiträge: 2668
Registered for: 3 years
3
Wohnort: Winnen
Hat sich bedankt: 89 Mal
Danksagung erhalten: 1872 Mal
Geschlecht:
Alter: 59
Kontaktdaten:
Germany

Lkw-Fahrer sind nicht nur in England knapp, auch im Kreis Limburg-Weilburg

Beitrag: # 1353Beitrag ww_michael »

Schlechtes Image und zu wenig Geld

Bild

"Das ist echt Maloche"

Drohen in der deutschen Logistikbranche bald englische Verhältnisse? Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) jedenfalls schlägt Alarm: Schon jetzt fehlten in Deutschland zwischen 60 000 und 80 000 Berufskraftfahrer. Prognose: "Deutschland droht in zwei bis drei Jahren ein Versorgungskollaps ähnlich wie in England", heißt es in einer Presseerklärung der Verbands. "Jedes Jahr gehen ca. 30 000 Berufskraftfahrer in Rente, demgegenüber stehen nur ca. 17 000 neue Berufseinsteiger", schreibt der BGL. Eine Entwicklung, die auch im Landkreis Limburg-Weilburg spürbar ist.

"Wir finden keine Leute", sagt Georg Egenolf, Geschäftsführer der Spedition Dehrner-Transporte, die seit 1973 am Markt tätig ist und sich auf den Transport von Land- und Baumaschinen spezialisiert hat. "Wir würden sofort einen oder zwei Fahrer einstellen." Vor 30 Jahren, berichtet Egenolf, habe sein Betrieb noch 30 Lkw-Züge gefahren, heute sind es nur noch sieben. Das habe vor allem damit zu tun, dass der Hauptkunde des Unternehmens weggebrochen sei. Eine weitere Ursache sei aber der Mangel an qualifizierten Lkw-Fahrern. In diesem Jahr sei ein Mitarbeiter in den Ruhestand gegangen, ein weiterer werde kommendes Jahr folgen. Um die Lücke zu schließen, bleibe ihm nichts anderes übrig, als zu versuchen, Fahrer von anderen Unternehmen abzuwerben. Dafür, so Georg Egenolf, sei er sogar bereit, Wechsel- und Vermittlungsprämien zu zahlen.

Selbst über die Einstellung von ausländischen Fahrern denke er mittlerweile nach, sagt der Spediteur. Das habe er bisher vermieden, weil für seine überbreiten und überhohen Schwertransporte nicht nur einiges an technischem Know-how gefragt sei, sondern auch das Beherrschen der deutschen Sprache.

Der Mangel an Kraftfahrern hat nach Egenolfs Einschätzung viele Ursachen. Der Job sei wegen seiner Arbeitszeiten für viele Menschen nicht sehr attraktiv, seien die Fahrer doch von Montag bis Freitag buchstäblich auf Achse. Das gehe zulasten der Familie. Zudem fehle es an Rastplätzen, nach Schätzungen des Branchenverbands seien es alleine in Deutschland rund 23 000. "Und wer zwischen Rumänien und Litauen nachts schlafen will, der hat ein Problem", sagt Egenolf.
"Stellen sofort
jeden Fahrer ein"

Bei der Beselicher Spedition Edgar Gras, mit 80 Lkw-Fahrern eine der größten im Landkreis, geht der Mangel an Berufskraftfahrern zumindest zulasten eines weiteren Wachstums. "Neues Geschäft zu aquirieren, ist nicht sinnvoll, wenn wir niemanden finden, der es umsetzt", sagt Geschäftsführer Alexander Kay Steinberg. "Wir stellen sofort jeden Fahrer ein, denn Haben ist besser als Brauchen", beschreibt der Unternehmensleiter die Situation. Das Bild des Lkw-Fahrers habe sich in den letzten Jahren gewandelt: "Früher war der Brummi-Fahrer der Kapitän der Landstraße, heute ist er der Stinker, der die Straßen verstopft." Die Zustände auf den Rastplätzen seien für die Fahrer teilweise "menschenunwürdig", klagt Steinberg. Wenn ein Fahrer abends überhaupt noch einen Platz findet, denn die Suche nach einem Stellplatz gleiche oftmals der "Reise nach Jerusalem": Wer zu spät kommt, findet keinen mehr. Hier seien die in den Gewerbegebieten ansässigen Unternehmen gefragt, Stellplätze für Lkw-Fahrer zu schaffen.
Rentner halten den
Betrieb am Laufen

"Lkw-Fahrer sind knapp", berichtet auch Jürgen Strieder, Geschäftsführer einer großen Spedition in Merenberg, die 55 Fahrer beschäftigt. Sein Unternehmen habe viele über 50- und 55-jährige Fahrer, sogar einige Rentner, um den Betrieb am Laufen zu halten. Das gelinge ihm immer noch recht gut, doch wisse er von etlichen anderen Speditionen, bei denen Fahrzeuge stillstehen müssten, weil es an Fahrern fehle.

Eine der Hauptursachen für den Fahrermangel sieht Strieder im schlechten Image des Lkw-Fahrers in der Öffentlichkeit. Während in den 70er Jahren und noch einmal kurz in der Corona-Zeit Lkw-Fahren ein ehrenwerter und jüngst sogar "systemrelevanter" Beruf gewesen sei, stimme dieses Bild schon langer nicht mehr. "Jeder will zwar alles haben, aber keiner will den Lkw-Fahrer", so Strieder mit Blick auf lange Staus auf verstopften Autobahnen.

Hinzu kommen niedrige Löhne als Folge eines enormen Preisdrucks in der Logistikbranche, der vor allem von der osteuropäischen Billig-Konkurrenz ausgehe. "Bulgaren und Rumänen fahren für 2,80 Euro Stundenlohn, wir zahlen mindestens elf Euro", sagt Strieder. Seine eigenen Fahrer verdienen mit 2500 bis 2800 Euro plus steuerfreier Spesen noch einigermaßen gut. Georg Egenolf zahlt sogar zwischen 2800 und 3000 Euro, bei Edgar Gras können es inklusive Spesen auch mehr als 3000 Euro sein. Ärgerlich, so Strieder, sei auch, dass osteuropäische Speditionsfirmen zwar häufig gegen Auflagen verstoßen, wegen zu geringer Kontrollen der deutschen Behörden aber kaum Nachteile befürchten müssten. Umgekehrt würden deutsche Lkw-Fahrer in Transitländern wie der Schweiz oder Österreich selbst bei kleinsten Verstößen oftmals mit hohen Strafen belegt.
Dramatische Situation auf den Rastplätzen

Es gehe aber nicht nur ums Geld, sondern auch um die Rahmenbedingungen, unter denen Lkw-Fahrer heute arbeiten müssten, schildert Strieder. Arbeitszeiten durchgängig von Montag bis Freitag seien eher die Regel als die Ausnahme. Da sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Fahrer freitagnachmittags wieder zu Hause in ihren Familien seien. Geradezu dramatisch sei die Situation bei den Parkplätzen. "Viele Fahrer finden nach 18 Uhr keinen Stellplatz mehr und stehen dann über Nacht auf dem Autobahn-Standstreifen", schildert der Merenberger Unternehmer. Es fehle an Hygiene- und Sanitäreinrichtungen unterwegs, und auch die verladende Wirtschaft verschlechtere die Situation oftmals. "In manchen Firmen dürfen Lkw-Fahrer nicht einmal die Toilette benutzen."
Nicht genügend Nachwuchs

Der Runkeler Speditionskaufmann Albert Nobis, der selbst nur Transportfahrten vermittelt, aber keine eigenen Fahrzeuge besitzt, kennt die Probleme der Branche aus dem Effeff. "Die erfahrenen Leute sterben aus", sagt Nobis vor allem mit Blick auf die Sparte der Schwertransporte. Das Durchschnittsalter steige, ohne dass genügend Nachwuchs komme. Vor allem fehle es an Fahrern von Tiefladern, für die es einiges an Berufserfahrung bedürfe. "Das kann nicht jeder Junge mit einem Lkw-Führerschein von der Bundeswehr." Und: "Das Be- und Entladen, das ist echte Maloche."

Ausländische Fahrer, bestätigt Nobis, könnten dem Mangel nur bedingt abhelfen. Denn für Schwertransporte seien spezielle Genehmigungen erforderlich, die nicht selten den Umfang einer dicken Broschüre hätten. Wenn ein Fahrer ohne ausreichende Deutschkenntnisse in eine Polizeikontrolle gerate, "wird es schwierig". Nobis schätzt, dass sich die Fahrersituation auf dem Gütertransportmarkt seit etwa vier bis fünf Jahren deutlich verschärft hat.

Nach Einschätzung von Stefan Schneider, Ortsverbandsvorsitzender Limburg-Weilburg der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und zuständig für den Bereich Logistik, haben die Unternehmen den jetzigen Fahrermangel allerdings teilweise selbst zu verantworten. "Sie haben es verpasst, frühzeitig auszubilden", urteilt Schneider. Aber auch die Arbeitszeiten und die aus Sicht der Gewerkschaft zu geringe Bezahlung seien Ursachen für den Nachwuchsmangel in der Speditionsbranche. "Mehr als dreiviertel aller Kraftfahrer in Deutschland arbeiten im Niedriglohnbereich. Der durchschnittliche Einstiegslohn liegt unter 1900 Euro monatlich. Lohnerhöhungen sind schwer zu realisieren, weil in der Logistik-Branche ein massiver Preiskampf stattfindet", berichtet Stefan Schneider.
Die Post bildet
wieder selbst aus

Erfreulich sei, dass beispielsweise die Deutsche Post wieder eigene Fahrer ausbildet, nachdem sie lange geglaubt habe, den Transport weitgehend outsourcen zu können. Aber auch der Staat ist nach Schneiders Überzeugung in der Pflicht. Er müsse dafür sorgen, dass die Lkw-Fahrer genügend Erholungsmöglichkeiten auf den Autobahnrastplätzen vorfinden. Rolf Goeckel
Bild
Antworten