Der ewige Murks in der Strombranche hat einen Namen: Smart Meter

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ww_michael
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Der ewige Murks in der Strombranche hat einen Namen: Smart Meter

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Schlaue Stromzähler haben einen schlechten Ruf. Doch für die Energiewende werden sie zwingend gebraucht. Immer dringlicher fordern Energieunternehmen, die lahme Installation der Smart Meter endlich zu beschleunigen.

Allein das Erwähnen des Anglizismus reicht, um Zeitgenossen auf die Palme zu bringen: Smart Meter. Seit gut einem Jahrzehnt wird darüber diskutiert. Doch nur wenig tut sich. Dabei werden die schlauen Stromzähler immer dringender benötigt, um die regionalen Netze vor Überlastungen zu schützen und Verbrauchern zu ermöglichen, von schwankenden Strompreisen zu profitieren.
Smart Meter: Eine Schlüsseltechnologie

Bastian Gierull, Deutschland-Chef des Energiedienstleisters Octopus Energy bringt es auf eine kompakte Formel: „Smart Meter sind die Schlüsseltechnologie für ein modernes, bezahlbares Energiesystem“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Allerdings haben die Apparaturen mit massiven Imageproblemen zu kämpfen. Ängste, geschürt durch eine jahrelange Debatte um die Cybersicherheit der Geräte. Auch deshalb hängen noch in vielen Kellern die schwarzen analogen Zähler mit der Drehscheibe, die sukzessive durch digitale ersetzt werden sollen – erkennbar an einem kleinen Display. Letztere können nicht nur den Stromverbrauch, sondern auch Nutzungszeiten erfassen.
Attraktiv für Betreiber von Solaranlagen

Zu einem intelligenten Messsystem muss zudem noch ein „Gateway“ kommen. Ein kleines Kästchen, in dem viel IT steckt, um die Stromnutzung automatisch auszulesen sowie Steuer- und Preissignale zu empfangen, womit Apparaturen in Haus und Garage zu- und abgeschaltet werden können. Besonders interessant sind Smart Meter für alle, die Solarmodule auf dem Dach, einen Batteriespeicher im Keller haben und/oder über eine Wärmepumpe sowie eine Ladebox zum Betanken von E-Autos verfügen.

Immer wieder ist zu hören, dass Haushalte, die lediglich eine Kühl-Gefrier-Kombination, eine Waschmaschine und einen Backofen elektrisch betreiben, sich um einen Smart Meter nicht scheren müssen. Gierull sieht das anders: „Genau wie ich im Supermarkt zugreife, wenn die Spaghetti 20 Cent reduziert sind, sind viele Menschen auch offen, beim Strom zu sparen.“ In Summe machten die vielen kleinen Verbrauchsabsenkungen eben doch einen riesigen Unterschied.

Alle Potenziale zusammengenommen, kommt 2025 nach Angaben des Energiekonzerns Eon rechnerisch ein Stromverbrauch von 15,6 Terawattstunden zusammen, der „netzdienlich“ verschoben werden könne, was einem Drittel der Stromerzeugung aller hiesigen Gaskraftwerke entspreche, so Deutschlands größter Betreiber regionaler Verteilnetze. Von diesen Verschiebepotenzialen können auch Hausbesitzer profitieren und Geld sparen: Und zwar mittels flexibler Tarife und einem Strombezug zu den Tageszeiten mit niedrigen Preisen am Strommarkt.
Aufsicht verschickt blaue Briefe

Das Gateway jedenfalls ist mit ziemlich komplexen Funktionen ausgestattet, für die es jede Menge noch komplexerer Regularien gibt – auch zum Schutz der Privatsphäre. Der sogenannte Rollout ist angelaufen, er gestaltet sich aber äußerst zäh.

Verantwortlich sind mehr als 800 Messstellenbetreiber, die in der Regel zu den Betreibern der regionalen Netze gehören, die wiederum überwiegend in den Händen von Stadtwerken sind. Laut Eon hatten Ende 2024 mehr als 340 Messstellenbetreiber noch keinen einzigen Smart Meter installiert. Nur etwa zwei Prozent aller Haushalte verfügen über ein intelligentes Messsystem.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) verschickte Anfang des Jahres Hunderte blaue Briefe an Messstellenbetreiber, die den gesetzlichen Vorgaben deutlich hinterherhinken: Bis Ende des Jahres sollen 20 Prozent der „Pflichtfälle“ mit Smart Metern ausgestattet sein. Gemeint sind Haushalte, die mehr als 6000 Kilowattstunden jährlich verbrauchen, die Solaranlagen mit einer Leistung von mehr 7 Kilowatt installiert haben und oder steuerbare Apparaturen (Wärmepumpen, Ladeboxen für E-Autos) betreiben.

„Der verzögerte Rollout der Smart Meter ist ein klarer Standortnachteil für Deutschland“, sagte Jannik Schall vom Energie-Startup 1Komma5-Grad dem RND. Er erläutert: „Der Aufwand und die Schmerzen, einen Smart Meter zu bekommen, sind für die Kunden exorbitant.“
Auch Stadtwerke sehen Nachholbedarf

Um ein Gerät zu installieren, das dynamische Preise ermögliche, seien rund 20 Prozessschritte nötig. Insgesamt fielen Wartezeiten von mehreren Monaten an. Das hat laut Insidern viel damit zu tun, dass insbesondere kleinere Stadtwerke massiv überfordert sind, weil Smart Meter auch neue Informationstechnik für die Messstellen erforderlich machen.

Unterdessen räumt auch der Stadtwerkeverband VKU auf Anfrage des RND einen Nachholbedarf ein, sieht als Ursache dafür aber vor allem eine „überbordende Bürokratie und einen hochkomplexen regulatorischen Rahmen“.

Octopus-Chef Gierull fordert jedenfalls eine radikale technische Vereinfachung: den „Smart Meter light“, der ohne komplizierte Steuertechnik zum Abregeln von Anlagen auskomme. Die Light-Version könne wegen geringerer Kosten zügig flächendeckend verbaut werden: „Hier besteht man auf einen Mercedes, obwohl ein Golf reichen würde. Für intelligente Tarife reicht es vollkommen aus, wenn die Geräte alle 15 Minuten messen und die Daten senden.“
Umstrittene Light-Version

Eine gute Idee? Andere Energieunternehmen sind skeptisch. 1Komma5-Grad-Manager Schall: „Jetzt nochmal einen neuen Prozess zur Genehmigung von Smart Metern zu starten, wäre aus unserer Sicht eher hinderlich als förderlich. Weil hier wieder der Weg durch die politischen Instanzen und die BNetzA gegangen werden muss.“

Schall verlangt stattdessen Sanktionen für Messstellenbetreiber, wenn sie ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen - denn bislang bleibe dies ohne spürbare Konsequenzen. Künftig müssten Bußgelder oder sogar der Entzug des Messstellenbetriebs möglich sein. Ferner: „Mehr Wettbewerb würde dem Rollout guttun, die Monopole der Netzbetreiber müssen aufgebrochen werden.“ Wettbewerbliche Messstellenbetreiber, die nicht unter dem Dach von Stadtwerken sind, sollen einspringen.

Auch Malte Sunderkötter, bei Eon für Netze und Smart Meter zuständig, sieht dringenden Handlungsbedarf. Aber: „Die Diskussion um einen Smart Meter Light führt am Ziel vorbei, denn sie suggeriert, dass eine schnelle, kostengünstige Lösung allein über die Hardware möglich ist“, sagte er dem RND. Eine Umstellung werde Deutschland um Jahre zurückwerfen. Sein Vorschlag stattdessen: „Eine Vereinfachung des Ökosystems durch eine mutige und grundsätzliche Reform der aktuellen Rahmenbedingungen des Rollouts.“ Dazu könne schlicht eine Reduzierung der zahlreichen IT-Anwendungen gehören oder zum Beispiel in Mehrfamilienhäusern nur ein Gateway für mehrere Stromzähler.
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